Für den Fachkräftemangel gibt es keine „one-size-fits-all-Lösung“. Herausfordernd ist nicht nur die Gewinnung neuer Talente, sondern auch die Bindung, Qualifizierung und Effizienzsteigerung der bestehenden Belegschaft. In vielen kleinen Schritten kann schon Großes im Unternehmen bewirkt werden. Die folgenden „10 Optionen“ stellen einen beispielhaften Pool an Handlungsmöglichkeiten dar, aus denen man sich die passende „Rezeptur“ gegen den Fachkräftemangel zusammenstellen kann. Je nach Branchenerfordernissen kann vielleicht das ein oder andere Handlungsfeld nicht umgesetzt werden – die vielfach hervorgehobene „Homeoffice-Regelung“ zum Beispiel, welche die Work-Life-Balance erheblich verbessern kann. Das Fehlen dieser Möglichkeit kann aber in vielen Betrieben durchaus mit attraktiven Alternativen kompensiert werden.

 

  1. Employer Branding: Etablierung einer starken Arbeitgebenden-Marke
    Ein starkes Employer Branding hilft, sich als attraktives Unternehmen zu positionieren und Fachkräfte überhaupt erstmal zu adressieren. Dies kann z. B. durch auf die Zielgruppe ausgerichtete „Benefits“ und eine positive Unternehmenskultur erreicht werden. Im zweiten Schritt gilt es, dieses Bild auch authentisch nach außen zu transportieren und gezielte Marketingkampagnen aufzusetzen.
  2. Zielgerichtetes, „alternatives“ Recruiting
    Unternehmen sollten über traditionelle Recruiting-Methoden hinausdenken und neue Talentpools erschließen, z. B. Rückkehrende in den Arbeitsmarkt, Quereinsteiger, Mitarbeitende mit Handicaps, ältere Mitarbeitende oder internationale Arbeitskräfte. Vereinfachte Visaverfahren und attraktive Relocation-Pakete können internationale Fachkräfte anziehen. Der Einsatz von englischer Unternehmenskommunikation und interkulturelle Trainings unterstützen die Integration in die bestehende Mitarbeitenden-Landschaft. Die Expertise Älterer sollte frühzeitig fürs Wissensmanagement genutzt werden; sie können als Berater*innen, Mentoren und Mentorinnen oder in Teilzeitrollen gezielt den Wissenstransfer im Unternehmen sicherstellen; der 60-jährige Dachdecker/die Dachdeckerin könnte so zum Beispiel zum wertvollen Bestandteil der Aus- und Weiterbildung im Betrieb werden.
  3. Technologiegestützte Personalbeschaffung (HR-Tech) und passgenaues Onboarding
    Der Einsatz moderner HR-Tech-Lösungen (wie KI-gestützte Bewerbermanagementsysteme oder automatisierte Bewerber-Screening-Prozesse) kann den Recruiting-Prozess beschleunigen und effizienter gestalten. Dadurch werden weniger Ressourcen dafür gebunden und können anderweitig genutzt werden. Kombiniert mit einem guten, ebenfalls digital gestützten Onboarding reduziert man die Frühfluktuation in signifikantem Maße, da neue Mitarbeitende wesentlich schneller arbeitsfähig sind und sich schnell in die Unternehmenskultur einfinden.
  4. Entlastung der Mitarbeitenden durch Künstliche Intelligenz
    KI-gestützte Prozesse und Automatisierung von Routinearbeiten können Mitarbeitende in signifikantem Maß entlasten und deren Effizienz steigern; freiwerdende Kapazitäten können für anspruchsvollere oder strategische Aufgaben genutzt werden. Dies ist nicht nur in klassischen Dienstleistungsberufen, sondern z. B. auch im Handwerk eine gute Möglichkeit, die Mitarbeitenden zu entlasten. Nutzen diese zum Beispiel digitale Tools direkt beim Kunden vor Ort, werden Aufträge gleich im CRM gespeichert, so dass dann schon die Folgeaktivitäten initiiert und die Rechnung terminiert, ebenso wie Wartungstermine für die Zukunft im System hinterlegt werden können.
  5. Flexibilisierung der Arbeitszeiten / Förderung von Remote-Arbeit
    Flexible Arbeitszeitmodelle und Remote-Arbeit machen Unternehmen nicht nur generell attraktiver für potentielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Insbesondere Frauen, die oft mit mehr Care-Arbeit betraut sind, fühlen sich von diesen Angeboten angezogen und können, dank reduzierten Fahraufwandes, auch mehr Zeit in die berufliche Tätigkeit investieren. Auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität bietet ein Remote-Arbeitsplatz mehr Möglichkeiten, da weniger Aufwand entsteht. Selbst in Branchen, in denen es durch Schichtbetrieb erhöhte Anforderungen an die Besetzung gibt, kann durch eine stärkere Flexibilisierung der Zeitdruck entscheidend vermindert werden. Setzt man z. B. den „Mitte fünfzigjährigen Maschinenführer“ in der ersten Phase der Frühschicht ein und splittet dessen Arbeitszeit, könnte die für die Kinderbetreuung zuständige Schichtpartnerin später starten und die Mitte der Schicht übernehmen oder etwaige Schichten am Wochenende anbieten. Möglichkeiten gibt es, je nach Bedarf und zur Verfügung stehenden Belegschaft, oft mehr, als dies auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint. All diese Maßnahmen, die den Bedürfnissen der Mitarbeitenden stärker Rechnung tragen, verbessern die Work-Life-Balance aller und erhöhen die Chancen, qualifizierte Mitarbeitende zu finden und loyal in einem gut funktionierenden Team zu binden.
  6. Förderung der Ausbildung und Umschulung sowie Weiterqualifizierung
    Unternehmen sollten, statt nur extern nach neuen Arbeitskräften zu suchen, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren und – wenn dies für die Tätigkeiten sinnvoll erscheint – Umschulungsprogramme nutzen. Dadurch können interne Talente auf neue Positionen vorbereitet werden. Diese langfristige Lösung benötigt zwar Ressourcen, um wirklich effektiv zu sein, setzt aber direkt am Kern des Fachkräftemangels an, indem vorhandenes Potenzial maximiert wird. Das Qualifizierungschancengesetz bietet gute Möglichkeiten, sich die Kosten in Teilen oder vollständig über Förderungen erstatten zu lassen.
  7. Gezielte Frauen-Förderung
    Durch Mentoring-Programme, interne Netzwerke und speziell ausgerichtete Karriere-Entwicklungsprogramme für Frauen können Unternehmen die Beschäftigung von Frauen im Unternehmen erhöhen und bislang ungenutzte Potenziale erschließen.
  8. Fokus auf Diversität im Unternehmen
    Diverse Teams sind – bewiesen – kreativer und innovativer durch unterschiedliche Hintergründe und Sozialisierung (Herkunft, Bildung, Handicaps, Alter, Geschlecht…). In der Regel können komplexere Probleme von vielfältigen Teams besser und flexibler angegangen und gelöst werden. Die Rekrutierung von internationalen Talenten, älteren Mitarbeitenden oder z. B. Menschen mit Beeinträchtigungen sowie Schulungen zu unbewussten Vorurteilen (sog. „unconscious bias“) können zu mehr Vielfalt beitragen.
  9. Aufbau von Partnerschaften mit Bildungseinrichtungen
    Die langfristige Zusammenarbeit mit Universitäten, Fachhochschulen und Berufsschulen sichert einen kontinuierlichen Zugang zu Talenten. Unternehmen können Praktika, Stipendien und duale Studiengänge anbieten, um junge Talente frühzeitig zu finden und zu binden.
  10. Anpassung der Gehaltsstrukturen und Benefits
    Wettbewerbsfähige Gehälter und Benefits sind ausschlaggebend für die Anwerbung und Bindung von Talenten. Unternehmen sollten ihre Angebote regelmäßig überprüfen und an die Marktlage anpassen. Dies ist eine einfache, aber oft übersehene Maßnahme, die in Kombination mit anderen Schritten den Fachkräftemangel deutlich lindern kann.